Beginn der 1840er Jahre reisten einige Kaufleute aus der Ostschweiz und Winterthur für Marktabklärungen nach Indien und Südostasien, unter anderen die Winterthurer Bernhard Rieter, im Auftrag der Stoffdruckerei und des Handelshauses Gebrüder Greuter & Rieter, sowie Salomon Volkart im Auftrag eines Konsortiums in Zürich. Beide beobachteten die indische Textilindustrie und beschrieben sie in ihren Briefen in die Schweiz.
Salomon Volkart (1816–93)
Der Gründer des späteren weltweit tätigen Handelshauses Salomon Volkart fuhr erstmals nach Indien, um Absatzmöglichkeiten für die Textilindustrie in Zürich auszuloten. Aus Indien schreibt er relativ nüchtern:
„In Poona wohin ich mit Herrn Holst gegangen, besichtigte ich die Seidenwebereien, die noch gänzlich in der Wiege liegen. Bey dem Wenigen aber, womit sich diese Leute begnügen, arbeiten sie sehr wohlfeil und nehmen sich auch die Zeit, um die Arbeit schön zu liefern. Ich sende Muster mit Erläuterungen ihres Fabricats an dein Haus ein und hoffe, dass es euch gelingen werde, auch hier in zu arbeiten. Auf dieser 14tägigen Tour sah und fand ich vieles, was meine Aufmerksamkeit sehr in Ansruch nahm, auch schoss ich viele Vögel und Thiere, die ich vorher nie gesehen.“
(Salomon Volkart aus Bombay an Heinrich Fierz vom 19.7.1845. Zitiert in Peyer, ‘Aus den Anfängen des schweizerischen Indienhandels. Briefe Salomon Volkarts an Johann Hienrich Fierz, 1845-1846’, Zürcher Taschenbuch, Vol. 81, 1960, S. 107–19.)
Bernhard Rieter (1805–83)
Rieter hatte eineinhalb zuvor den selben Ausflug mit Herrn Holst gemacht. Auch er sieht die grosse Betriebsamkeit der indischen Textilindustrie. Doch im Unterschied zu Volkart sieht er die Problematik des Kopierens ihrer Stoffe, die ihn in ein echtes Dilemma bringen:
„Ich habe hier, wie überall, wo ich in Asien gewesen bin, eine ganz bedeutende Industrie gesehen und gefunden & zwar so wie ich es niemals geglaubt hätte. Von Maschieneneinrichtungen wissen die Leute eben nichts, den einzigen Vorteil & einen sehr grossen ist es, den sie wie alle orientalischen Völker über uns haben:Derjenige eines äusserst ökonomischen Lebens, Folge eines kleinen Verdienstes & der Nichtrechnung der Zeit, Folge der billigen Nahrungsmittel, welche auch hier für die Armen, wie für die reichen Klassen in Reis bestehen, und wenn der Arme auch nur ein wenig im Tage sich verdient, ihm die Mittel an die Hand gegeben sind, sicher ein Mahl abends zu finden. Man muss eben nicht denken, dass ein solches Mahl den unsrigen gleich kommt, diese Leute sind keine Vielesser wie die Europäer, wie gesagt, sie begnügen sich mit Reis, können sie noch andere Sachen dazu kriegen, so werden sie sie auch geniessen, um einige Variationen sich zu verschaffen. Was muss ein Europäer nicht alles. auf seinen Tische sehen, bis sein Magen findet, der Koch habe seine Pflicht getan. Alle diese Vorteile, welche der Indier hat, helfen ihm aber nicht viel, um mit seiner gesamten Kraftenstrengung gegen die alles überwältigende & vertilgende Europäische Industrie anzukämpfen & wenn es mir, am wenigsten zwar für mich passend, eben nicht geziemt den Verfechter der indischen Industrie im allgemeinen zu machen, so wünschte ich doch, man würde diese armen Leute nicht so mit fremden Waaren überschwemmen & ihnen ruhig ihren Erwerb gönnen. Allein unsere Civilisation wächst ihnen über die Köpfe & muss ihnen immer mehr über die Köpfe wachsen & sie am Ende ganz aus ihrer gewohnten Arbeit vertreiben, wie dies schon zum Teil an vielen Orten des Orients geschehen ist. Was wird aus diesen Leuten am Ende werden? Was würde aus allen Leuten im Kanton Zürich werden, & was wird noch am Ende aus ihnen werden, wenn die Fabrikinhaber bey Euch nicht mit dem Geiste der Zeit fortschreiten? Gesetzt die Schweizer stehen still & dieses ist schon ein grosser Nachteil, in wenigen Jahren würden sie von einer mehr oder weniger entfernt wohnenden, fortschreitenden industriellen Bevölkerung aus den Sattel geworfen, & einmal auf die Seite gedrängt würde ihnen das Fabrizieren sauer werden und Hunderte an den Bettelstab versetzen …“
(Bernhard Rieter aus Calcutta an seine Mutter in Winterthur vom July 1845, Stadtbibliothek Winterthur Ms 4 610/83a)